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Kulturelle Identität und Balance

  • Autorenbild: Esther Hur
    Esther Hur
  • 22. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Sept.

Warum eine multikulturelle Identität unsere innere Balance herausfordern kann


„Wo kommst du her?“ Eine scheinbar harmlose Frage, die für viele Menschen mit Migrationsgeschichte nur noch ein Seufzen hervorruft.

Aber, die Frage lädt dazu ein, sich selbst wieder einmal zu hinterfragen: Wer bin ich eigentlich und wo gehöre ich wirklich hin?


Als Mensch mit koreanischen Wurzeln, geboren und aufgewachsen in Köln, kenne ich diese Fragen gut. Und ich weiß, wie herausfordernd es sein kann, zwischen verschiedenen Kulturen aufzuwachsen und dabei die eigene Balance nicht zu verlieren.


Meine Geschichte – zwischen zwei Welten


Meine Eltern sind in den 1970er-Jahren aus Korea nach Deutschland ausgewandert. Ich bin hier geboren, zur Schule gegangen, habe studiert, gelebt, gelacht und immer wieder meine eigene Identität hinterfragt.


Schon als Kind war klar: Ich passe nicht ganz ins Bild. Zuerst merkte ich im Kindergarten: mein Verhalten war so anders im Vergleich zu anderen Kindern. Mir war zum Beispiel beigebracht worden, mich zurückzunehmen, höflich zu sein, anderen Raum zu lassen. Erst später lernte ich, dass das Werte sind, die tief in der koreanischen Kultur verwurzelt sind.

Dann kam das Offensichtliche: mein Aussehen. In der Grundschule lernte ich schnell, was es heißt, „anders“ zu sein. „Schlitzauge“, „Reisfresser“ und ähnlich nette Ausdrücke waren Beleidigungen, die ich mir anhören musste. Manchmal blieb es nicht nur bei Worten.

Gleichzeitig gab es aber auch Freund:innen, die mich unterstützt und mir gezeigt haben: Du bist nicht allein.


Diese Erfahrungen haben mich geprägt und lange Zeit zu einem inneren Konflikt geführt. Als Kind habe ich alles, was mit koreanischer Kultur zu tun hatte, unbewusst abgelehnt. Ich wollte dazugehören, so sein „wie alle anderen“. In der Jugend kippte das ins Gegenteil: Ich wollte bewusst anders sein, rebellierte gegen Konventionen und suchte mir plötzlich die koreanische Kultur als Marker meiner Andersartigkeit. Ein ironischer Widerspruch, denn „Anders-Sein“ wird in der koreanischen Kultur gar nicht wirklich gefördert.


Erst als Erwachsene konnte ich beginnen, meine kulturelle Herkunft mit Neugier und Gelassenheit zu betrachten. Ich entdeckte das Essen neu, setzte mich mit Traditionen und Werten auseinander, schaute mir koreanische Filme an, hörte koreanische Musik. Ich konnte diese Dinge aber nun differenziert tun, neugierig, ohne zu idealisieren oder zu verteufeln.

Ich begriff: Es geht nicht darum, sich für eine Seite zu entscheiden. Sondern darum, seinen ganz eigenen Weg zwischen den Kulturen zu finden.


Multikulturelle Identität: Chance und Herausforderung


Eine multikulturelle Identität bringt eine besondere Tiefe mit sich, aber auch Spannung. Sie fordert uns heraus, weil sie oft kein klares „Entweder-oder“ zulässt.

Wir bewegen uns in einem Zwischenraum: nicht ganz hier, nicht ganz dort. Nirgendwo "wirklich" zu Hause. Denn hier ist man "der Ausländer", drüben "die Deutsche". Und genau dieser Zwischenraum ist es, der unsere innere Balance manchmal ins Wanken bringt.


Denn mit jeder Kultur, in der wir verankert sind, kommen unterschiedliche Erwartungen, Werte, Verhaltensweisen.

Wie offen darf ich sprechen? Wie wichtig ist Gemeinschaft? Wie viel Raum hat Individualität? Welchen Stellenwert hat Familie, haben Freundeskreis und Arbeit?

Das sind keine theoretischen Fragen, sondern welche, mit denen wir in unserem Alltag konfrontiert werden: im Beruf, in Beziehungen, in Erziehung und Selbstverständnis.


Das kann uns verunsichern, aber es kann uns auch wachsen lassen. Ich habe gelernt, dass ich heute viel flexibler, offener und empathischer mit anderen umgehen kann. Ich habe gelernt, zuzuhören, Unterschiede auszuhalten und Brücken zu bauen. Und ich weiß, dass ich damit nicht allein bin.


Warum dieses Thema so wichtig ist


Immer mehr Menschen in Deutschland wachsen mit mehreren kulturellen Einflüssen auf. Sei es durch ihre Herkunft, durch Partnerschaften, Reisen oder Lebensumstände. Und viele von ihnen kennen diese Fragen der Identität, Zugehörigkeit und Balance.


Deshalb braucht es Räume für Austausch, Verständnis und Reflexion.

Es braucht Geschichten – wie meine – die zeigen: Du bist nicht allein.

Und es braucht Mut, die eigene Identität nicht als Problem zu sehen, sondern als Potenzial.


Vielleicht erkennst du dich in Teilen meiner Geschichte wieder. Vielleicht ganz, vielleicht nur ein bisschen.

Vielleicht willst du deine eigene Perspektive teilen.

Ich lade dich herzlich ein: Schreib mir, kommentiere, teile diesen Beitrag mit Menschen, die dieses Thema auch bewegt. Denn je mehr wir darüber sprechen, desto mehr Normalität und Verständnis schaffen wir.



Coach Esther Hur steht vor einem Feld in Aachen
Coach Esther Hur in Aachen


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